Berufsbegleitende Ausbildung
“Meine innere Haltung wurde geschärft“
„Ich bin ein total verrückter Hund“, sagt Jonas Kessler augenzwinkernd zur Begrüßung. Seinen Berufsweg startete er 2006 als Krankenpfleger, studierte dann Sozialwissenschaft und Betriebswirtschaft. Nach zehn Jahren als Headhunter und Vorstandsreferent zog es ihn zurück „ans Bett“. Seit gut drei Jahren arbeitet er wieder als Krankenpfleger und hat berufsbegleitend am Wichern Kolleg eine Ausbildung zum Diakon gemacht. Am 22. September wurde er in Berlin eingesegnet.
„Meine anderen Berufe haben mir auf Dauer keine Erfüllung verschafft“, sagt Jonas Kessler auf die Frage nach der Motivation. Seit 2021 arbeitet er auf der Intensivstation, zunächst im Evangelischen Krankenhaus Hubertus und nun im Martin Luther Krankenhaus. Dort hat er sich immer mehr für Ethik, Seelsorge und Palliative Versorgung interessiert. Er wollte diesen Anspruch für sich weltanschaulich und psychologisch „unterfüttern“. „Zu diesem Zeitpunkt habe ich beschlossen, Diakon zu werden.“
Zwei Jahre dauert die Ausbildung, die auch berufsbegleitend angeboten wird. Vor der Bewerbung beriet er sich mit dem Krankenhausseelsorger und klärte mit seinen Vorgesetzen, ob es für ihn zeitlich überhaupt möglich wäre. Die Ausbildung ist in verschiedene Module gestaffelt. Einmal im Monat treffen sich die zukünftigen Diakon*innen für ein dreitägiges Wochenende im Haus der Schwestern und Brüder. Der Rest findet digital und in Eigenarbeit statt.
Keine Frage: die Ausbildung hat Jonas Kessler verändert. „Ich sehe und bewerte jetzt vieles anders. Mein Blick auf die Welt hat sich verändert. Meine innere Haltung wurde geschärft. Sie ist jetzt erheblich klarer als zu Beginn.“ Er fühlt sich gelassener, offener und hat sein „Urvertrauen“ gestärkt. „Ich kann Dinge loslassen und habe trotzdem keine Angst vor Verlust oder Laissez faire“, resümiert der 41jährige Wahlberliner.
Für ihn war die Entscheidung richtig, seinem Leben dadurch nochmal eine Wendung zu geben. „Die allermeisten Ausbildungen legen Wert darauf, dass man bestimmte Kompetenzen erlangt. Die Diakon*innen-Ausbildung arbeitet auch an der inneren Haltung. Deswegen stärkt es die Persönlichkeit und Reife. Sie ist ein wirkliches Erleben. Es geht unter die Haut. Man lernt sich und seine eigenen Grenzen ganz neu kennen. Etwas Vergleichbares habe ich nie vorher in einer Ausbildung erlebt.“
Diakonie hört nie auf. Es geht und entwickelt sich weiter. Für Jonas Kessler ist es wichtig, genau dafür ein Bewusstsein zu entwickeln. Was er aus der Ausbildung macht, ist für ihn noch nicht ganz klar. „Aber die vergangenen zwei Jahre haben mir viele Wege aufgezeigt. Ich möchte jetzt die Ausbildung zum Notfallseelsorger anschließen. Hier sehe ich eine enge Verbindung zu meiner Arbeit auf der Intensivstation.“
Für Jonas Kessler waren die vergangenen zwei Jahre anstrengend aber vor allem bereichernd. „Ich sehe, dass die Ellenbogengesellschaft und das Auseinanderdriften von Reich und Arm zunehmen. Ich glaube fest daran, dass man deshalb wieder Werte, Tugenden und Orientierungen in die Gesellschaft tragen muss. Dafür braucht es Leute, die es auch tun. Und diese Haltung möchte ich zeigen, ohne Andere zu missionieren. Ich möchte dieses Weltbild für mich mit einer gewissen Integrität leben.“
Text: Martina Conrad, PR-Referentin (Artikel gekürzt)
Foto: Frederic Schweizer