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Klinkenmomente und pure Präsenz

Beate Hofmann ist Diakonin und Klinikseelsorgerin im Uniklinikum Tübingen

Den Glauben punktuell spürbar leben und sich und andere so zu erden und zu himmeln – das ist Beate Hofmann ein wichtiges Anliegen.

Diakoninnen und Diakone haben viele Aufgaben, unter anderem Seelsorge. Seelsorge als Hauptaufgabe ist allerdings nicht die Regel – Diakonin Beate Hofmann ist die Ausnahme von dieser Regel. Als Klinikseelsorgerin ist sie in einem Team mit fünf Pfarrpersonen am Uniklinikum in Tübingen Ohr und Herz für Patienten, Mitarbeiterinnen und Angehörige. „Als ich die Ausschreibung gesehen habe, wusste ich gleich: ‚Das ist meine Stelle‘“, erinnert sich Beate Hofmann. Ihr Weg in den Beruf und auch im Beruf ist seit 40 Jahren ein bewegter. Mit 17 reiste sie mit ihren Eltern aus der damaligen DDR aus, musste ihre große Liebe Olaf zurücklassen, dessen großer Wunsch es schon damals war, Diakon zu werden. „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen – das war damals unser verbindendes Motto.“ Nachdem Olaf nach Frankfurt nachreisen konnte und die Ausbildung in Moritzburg deshalb unmöglich geworden war, bewarb er sich in Ludwigsburg auf der Karlshöhe für die Ausbildung als Diakon. Dort warb man dann auch direkt Beate an – so waren die beiden das erste Ehepaar, das auf der Karlshöhe die Ausbildung gemeinsam startete.

Mit Moritzburg wurde es dann doch noch etwas: Einige Jahre lehrte das Ehepaar dort religionspädagogische Praxis am Institut für Berufsbegleitende Studien (IBS) und leitete das Studienwohnheim. Parallel dazu schrieben sie Bücher und waren als Impulsgeber unterwegs – beides tun sie bis heute gemeinsam. Das Anliegen ihrer selbständigen Tätigkeit ist es, Menschen dabei zu unterstützen, „Zukunftsmut und Herzenskraft zu entwickeln und sich in Krisen, Verlusten und Trauer wieder zu stabilisieren“, wie es auf ihrer Website hopeandsoul.com heißt. Pure Präsenz, Kontemplation, den Glauben spürbar leben… Diese Stichpunkte füllt Beate Hofmann mit Leben. Als es 2020 im Januar zurück nach Württemberg ging, erschütterte die Corona-Pandemie das Paar und die gemeinsame Selbstständigkeit. Es hieß, sich neu zu sortieren. Als sich die Tür ins Uniklinikum und in die Seelsorgetätigkeit öffnete, war die Diakonin sich sicher, dass das der richtige Weg ist.

Heute arbeitet sie 30 Stunden pro Woche in verschiedenen Abteilungen, in der Intensivmedizin, der Onkologie, der Infektiologie. „Es sind oft absolut essenzielle Themen, mit denen die Menschen dort, oft auch sehr junge Menschen, konfrontiert werden.“ Sie sieht sich als fluides Brückenglied zwischen den kranken Menschen, dem Personal, den Angehörigen. Sie hört in Krisen zu, bietet auch Gottesdienste und Andachten an. Die besondere Herausforderung: Erspüren, welche Worte zur Situation passen – und wo vielleicht Schweigen die bessere Wahl ist. „In der Klinikseelsorge ist es unglaublich wichtig, bewusst eine sensible Sprache zu nutzen“, so Beate Hofmann. Für die Mitarbeitenden bietet sie regelmäßig Soul Care Coachings an. „Dieses Angebot gibt es nur in meinem Klinikbereich, da bin ich schon stolz darauf.“ Auch regelmäßiger Unterricht in der Fachschule für Pflege gehört zu ihren Aufgaben, ebenso wie fünf bis sechs Tage Rufbereitschaft pro Monat. Tage, an denen sie 24 Stunden am Stück erreichbar sein muss für Notfälle in der Klinik.

Im Arbeitsbereich von Beate Hofmann ist die Infektionsgefahr besonders hoch – für sie ist es selbstverständlich, die Patient:innen zu schützen.

Vor ein paar Nächten erst hatte sie so einen Notfall – ein Brand, die alleinerziehende Mutter ums Leben gekommen, das minderjährige Kind von jetzt auf gleich ohne Eltern. Der Raum voller Angehöriger, zum Teil mit christlichem, zum Teil mit muslimischem Hintergrund. „Ich muss dann schnell herausfinden, welches Ritual hier eine Brücke sein kann“, sagt die Diakonin. Erst mal da sein, still zuhören. Nach einer Weile gibt sie einen Holzengel herum, alle dürfen ihre guten Gedanken und Wünsche für die Familie auf den Holzengel legen. „Das hat alle sichtlich bewegt. Es scheint das Richtige gewesen zu sein.“ Vor solchen Situationen ist Beate Hofmann nervös. „Ich teile jedes Mal auch etwas von mir, das ist nicht einfach.“ Kraft zieht sie aus „Klinkenmomenten“, wie sie den kurzen Moment der Verzögerung nennt, bevor sie einen Raum betritt. „Ich verbinde mich mit der Kraft Gottes. Und dann ist klar: Ich muss das nicht alleine als Beate wuppen.“ Den Spruch zu ihrer Einführung vor einigen Jahren hat sie bewusst gewählt: „Die Nacht, in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond“ – eine Gedichtzeile von Mascha Kaleko. „Wenn ich es schaffe, den Menschen in ihren existenziellen Krisen dieses Gefühl zu vermitteln, dann bin ich zufrieden.“

Sie liebt ihre Tätigkeit, egal, wie herausfordernd die Einsätze zuweilen sind. „Es ist mit Abstand die am meisten sinnstiftende Aufgabe, seit ich Diakonin bin“, fasst sie zusammen.

Sie können sich auch vorstellen, Diakon:innen zu werden und eine sinnstiftende Aufgabe zu übernehmen? Mehr Informationen unter: https://www.vedd.de/ausbildung-studium/ausbildungsstaetten/

Text: Diakonin Arnica Mühlendyck
Fotos: Diakonin Beate Hofmann

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