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Konferenzbericht: Tradition, Bewahrung und Aufbruch

Bericht von der Konferenz der Ältesten und Geschäftsführerkonferenz im VEDD, vom 9.-bis 12. März 2020 in Neuendettelsau

Manche sagen: „Als Gemeinschaften verkörpern wir so etwas wie Tradition und Innovation.“ Ist das so? Falls ja, ist das nicht ein wenig wie „frisches Dosengemüse“? – Manchmal tun Fragen, auch wenn mit einem gewissen Humor gestellt, auch weh. Weil allen klar ist, dass das „weiter so!“ einfach nicht mehr stimmt, trafen sich die Ältesten und Geschäftsführer der diakonischen Gemeinschaften im VEDD bei ihrer Jahrestagung auf den Campus der ehemaligen „Neuendettelsauer Diakonie“, die seit Juli 2019 zusammen mit dem „Diak“ aus Schwäbisch Hall den neuen gemeinsamen Träger „Diakoneo“ bildet.

Die besondere Chance des bundesweiten Austauschs, über die unterschiedlichen Größen, Strukturen und Situationen der Gemeinschaften hinweg, liegt in den Erfahrungen (!) – mit neuen Gehversuchen, die wir in den Gemeinschaften machen, um sie kollegial, mit hilfreichen Fragen und Ideen, weiterzuentwickeln.

Kreativ wurden in der ersten Beratungsrunde besonders bewährte, für die Gemeinschaft wichtige oder gerade frisch neu erfundene Formate/Angebote/Aktivitäten, z.B. der Dankestag für Schwestern und Brüder ab 80, Netzwerktage für Mitglieder, die zwischen fünf und zehn Jahren im Amt sind, kirchenpolitische Vertretungszirkel, regionale Stammtische und kleinere regionale Beziehungsnetze „ins Spiel gebracht“. Auch das „Probier-Mahl“, bei einem gemeinsamen Essen „talk and eat“ ins Gespräch zu kommen, als Tischgemeinschaft und Ausgangspunkt für neue Beziehungen  passt in dieser neuen Form gut in die Zeit.

Den Blick in die Zukunft brachte Bruder Peter Dienst von der Rummelsberger Gemeinschaft mit seinem Impulsreferat als erfahrener Personalentwickler und Beobachter von gesellschaftlichen Entwicklungen im Gemeinwesen ein: „Wir befinden uns in „Aushandlungsgemeinschaften“. Ein Wertebild wird nicht von einer Generation auf die nächste übertragen, beziehungsweise nicht von dieser übernommen. Es folgen Traditionsbrüche“.
Die Ökonomisierung und permanenten Anforderungen an die „Selbstoptimierung“ führen zu veränderten Antworten zwischen den Generationen. Die Gemeinschaften befinden sich in einem Umbruch – ob sie wollen oder nicht.

Die Räume, in denen wir uns bewegen, und die Regeln darin ändern sich,sowohl global als auch regional. Es entstehen gleichzeitig neue Räume, z.B. digitale Räume. Wie bewegen wir uns darin!?

Die Zukunfts- und Aufbruchsfrage: Wie wollen wir in Zukunft das Evangelium in die Räume tragen, steht ganz oben, und geht in unseren innerkirchlichen Diskussionen doch schnell unter.

Risse auch im innerkirchlichen Zusammenhalt, Verlustängste, Wohlstandssicherung, die Bewahrung von Liebgewonnenem, mancherorts Aktionismus mit verpuffender Projektitis, Konflikte bei Ungleichbehandlungen, wenn die Zumutungen, die zu den Veränderungen gehören, auf ungleiche Schultern, oder auch sonst einfach ungerecht verteilt werden….

Und die Diakon_innen? Ein Vorschlag: Ein zukunftsfähiges Stellenprofil für Diakon_innen löst sich von rein innerkirchlichen Räumen, hin zum Beitrag im Gemeinwesen, in dem sich die Kirche, diakonische Träger und die jeweils zugehörigen Menschen gemeinsam und zusammen mit anderen bewegen.

Mit der doppelten Qualifikation haben Diakon_innen eine gute Grundlage. Aber: es gibt noch keine Rezepte! Es gibt kein „so wird´s gemacht“.  „Prüfet alles und das Gute gestaltet“, sagt Peter Dienst und gibt die sogenannten „Kardinaltugenden“ Gerechtigkeit, Klugheit, ein rechtes Maß und Tapferkeit für die Entscheidungsfindungen mit auf den Weg.

Und in der Gemeinschaft? Wir könnten ein Ort des Austausches und des voneinander Lernens sein. In der Gelassenheit gegenüber permanentem Optimierungsdruck in unserer Multioptionsgesellschaft. Orte für die Frage: Was ist denn ein gutes Leben? Wie kann ich mein Leben als Diakon_in organisieren? Wie komme ich mit der beruflichen Praxis zurecht? Was können wir generationsübergreifend lernen? Zum Beispiel wie ich mich in digitalen Räumen bewege und dazu verhalte? Welche Werte lebe ich als Gemeinschaftsmitglied? Welche Resonanz bekomme ich dazu von anderen? Und vieles andere mehr… .

Interessante Impulse und Beiträge durch die Gastgeber_innen von Diakoneo waren Teil der Tagung. Vorstandsmitglied Dietmar Motzer berichtete mit größter Freude vom Prozess und Erfolg bei der gelungenen Bildung des neuen Trägers Diakoneo.

Archivars Matthias Honold führte in das umfassende Archivwesen ein – und seine Bedeutung für die Geschichtsschreibung.

Pfarrer Dr. Peter Munzert, verantwortlich für die Diakonenausbildung, erläuterte das Ziel der Diakon_innenausbildung, dass in jeder Teileinrichtung von Diakoneo-Mitarbeiter_innen mit einer diakonisch/theologischen Qualifikation arbeiten. In jeder Einrichtung, so der Wunsch, möge sich gemeinsam mit diesen ein kleiner theologisch/diakonischer Zirkel bilden, der für geistliche, seelsorgerliche, gottesdienstliche u.a. Angebote bereit steht und sich in die jeweilige Einrichtung einbringt.
Der Ansatz – dieses Unternehmensziel, dies flächendeckend umzusetzen, beeindruckt. Je nach Größe der Einrichtung, so die Überlegung weiter, könnte die Beauftragung auch explizit mit einer gewissen Freistellung für diesen Dienst erfolgen.
Aktuelle Lesetipps zur Thematik sind das aktuelle Buch des VEDD zu „Diakonische Unternehmen und Gemeinschaften – Partner für eine gelingende Diakonie“ und das Buch des Rektors der Rummelsberger Diakonie, Dr. Mathias Hartmann, zu „Zukunftsperspektiven diakonischer Unternehmenskultur“.

Aus dem „Geschäftssitzungsteil“ nehme ich für die Studien- und Ausbildungsgänge die Frage mit, an welcher Stelle die Kompetenzmatrix 2.0 und das Glossar zielführend einzubringen sind.
Und den Blick auf die neue Homepage des VEDD zu werfen. Mindestens, um sich dort für den neuen Newsletter des VEDD anzumelden, kann ich nur empfehlen. Interessante gemeinschaftsübergreifende Themen und z.B. internationale Vernetzungen wie „Diakonia“ lassen sich hier gut mitverfolgen.

Zu guter Letzt: Ein herzlicher Dank an den Vorstand und Mitarbeitende von Diakoneo, die Schwestern und Brüder der Gemeinschaft, allen, die zum Gelingen beigetragen haben und ganz besonders an Schwester Roswitha Buff! DANKE!

Ein Gedanke bei der Rückfahrt: So schwierig die Fragen und Sorgen auch sind, irgendwie ist es auf eine Art auch wieder ganz einfach: Der Auftrag zum Nächsten hin bleibt. Das zu leben geht für mich besser zusammen mit anderen. Mein Ort dafür ist diese und meine Gemeinschaft zu Hause. Es wird.

Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit (2Tim 1,7).

Text: Diakon Jörg Beurer
Ältester/Geschäftsführer des Diakonkieverbandes Karlshöhe

Foto: Thomas Schaller/Diakoneo

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