Mit dem Herzen bei der Sache
Ein Gespräch mit der Diakonischen Gemeinschaft Hephata
Was die Diakonische Gemeinschaft Hephata ausmacht, wo sie herkommt und wohin sie sich entwickelt, darüber haben wir mit Geschäftsführer Diakon Stefan Zeiger, Referentin der Gemeinschaft Diakonin Kathrin Rühl und dem ehrenamtlichen Vorstandsmitglied Diakon Norbert Theiß gesprochen.
VEDD: Beschreibt eure Gemeinschaft in drei Worten.
Stefan: Halt geben, Halt finden, Haltung zeigen.
Kathrin: Nein, das sind ganz viele Worte, Stefan.
Stefan: Geben, finden, zeigen.
Kathrin: Du sollst doch nur ein Wort sagen.
Stefan: Halt.
Norbert: Herzlichkeit.
Kathrin: Soziale Gerechtigkeit. Nein, das sind auch zwei Wörter. Sozialpolitik.
VEDD: Könnt ihr euch auf diese drei Begriffe einigen? Halt, Herzlichkeit, Sozialpolitik?
Stefan: Nein, dann nehme ich Halt wieder zurück. Das versteht man nur, wenn man das in den Slogan packt, auf den wir uns mal für einen Roll-Up verständigt haben. Ich lese das als ein Wort: Halt geben. Halt finden. Haltung zeigen. Als du von drei Begriffen gesprochen hast, waren mir die sofort im Kopf. Halt allein ist aber zu wenig.
VEDD: Das ist eine gute Übung für den Anfang, man kommt schneller zum Punkt, wenn man sich auf drei Begriffe beschränken muss. Vielleicht könnt ihr das jetzt noch genauer erklären? Norbert, was bedeutet Herzlichkeit im Zusammenhang mit deiner Gemeinschaft für dich?
Norbert: Es gab in meinem diakonischen Leben viele verschiedene Situationen. Nach meiner Ausbildung und der Einsegnung war ich die ersten zwei, drei Jahre sehr engagiert, aber danach 20 Jahre gar nicht mehr. Als ich mich wieder dazu entschieden habe, am Gemeinschaftsleben teilzunehmen, war die Aufnahme von sehr viel Herzlichkeit geprägt. Ich fühlte mich nie fremd in diesem Kontext diakonischer Gemeinschaft. Sei es in meinem Regionalkonvent oder sei es im Gesamtkonvent. Auch dann, wenn Krisen bei mir anstanden, zerbrochene Beziehungen, Tod der Eltern, habe ich immer wieder Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner gefunden, denen ich mich leicht öffnen konnte und auch umgekehrt haben sich mir Brüder und Schwestern geöffnet. Herzlichkeit heißt für mich, den Menschen in meiner Gemeinschaft nicht nur vom Verstand her, sondern auch vom Herz her nahe zu sein.
Kathrin: Was mich von Anfang an beeindruckt hat an unserer Gemeinschaft ist, dass wir viel sozialpolitisches Engagement hatten und haben. Unsere Gemeinschaft hat sich schon in frühen Jahren immer wieder zu aktuellen politischen Themen positioniert und ist dafür auf die Straße gegangen. Wir sind Gründungsmitglied des Bündnisses für Soziale Gerechtigkeit und sind dort nach wie vor aktiv. Mein Herz schlägt außerdem für politische Bildung. Wir initiieren und verantworten gemeinsam mit der Hephata Akademie für soziale Berufe immer wieder Bildungsveranstaltungen zu den unterschiedlichsten Themen, die oben aufliegen. Wir achten bei unseren Jahresthemen auch darauf, dass sich spirituelle, diakonische und sozialpolitische Themen abwechseln.
Stefan: Ich habe jetzt nach einem anderen Stichpunkt gesucht und mir ist das Wort Mitmenschlichkeit eingefallen. Wenn ich an Gemeinschaft denke, dann hat das immer damit zu tun, Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen und sich gemeinsam auf den Weg zu machen.
VEDD: Ihr habt euch jetzt, vielleicht unbewusst, an den Begriffen eures Slogans orientiert. Mitmenschlichkeit – Halt geben, Herzlichkeit – Halt finden und Sozialpolitik – Haltung zeigen. Offenbar sind das wirklich die Basics eurer Gemeinschaft. Wo kommt eure Gemeinschaft eigentlich her, was sind eure Wurzeln?
Kathrin: Hephata-Treysa war sehr ländlich, hatte aber schon immer eine Eisenbahn. 1864 gab es eine kleine Papiermühle hier im Ort. Dort haben die Diakonissen aus Hessen eine Anstalt gegründet, um Mädchen mit unterschiedlichen Behinderungen zu pflegen. Irgendwann wurden die Diakonissen dann nach Kassel gerufen, weil es logistisch besser zu erreichen war. Aber Hephata ist trotzdem weitergewachsen. Franz von Roques, ein engagierter junger Pfarrer, sagte, man könne mit der Arbeit vor Ort nicht aufhören und man bräuchte ein hessisches Brüderhaus nach dem Vorbild des Rauhen Hauses in Hamburg. 1901 ist die Hephata Diakonie gleichzeitig mit dem Brüderhaus entstanden. Bis in die 60er Jahre hinein haben auch einzelne Diakonissen weiterhin bei uns mitgearbeitet, aber im Grunde hat sich die männliche Diakonie damals durchgesetzt. Die Gemeinschaft war von Anfang an eng verbunden mit dem Unternehmen. Dadurch, dass wir noch keine Ausbildungsstätte hatten, wurde diese mit entwickelt. Stück für Stück wurde Hephata zu einem immer größeren diakonischen Unternehmen. Wir gehören zu den Gemeinschaften, die recht früh Frauen aufgenommen haben. Die erste Frau hat bereits 1970 mit der Ausbildung angefangen. Aktuell haben wir 417 Mitglieder, davon sind 207 Männer und 210 Frauen. Der Altersdurchschnitt sinkt übrigens auch stetig. Als ich vor einigen Jahren die Statistik angefangen habe, lag er bei 60, heute ist er bei ungefähr 50 Jahren. Wir werden jünger und bunter. Es war nie eine Frage, ob es eine zweite Gemeinschaft für die Frauen geben sollte. Am Anfang gab es eine AG „Frauen in der Gemeinschaft“ und diese hat zur Diskussion über die Namensgebung der Gemeinschaft beigetragen. Ganz früher hießen wir „Hessisches Brüderhaus.“
Stefan: Als ich vor 35 Jahren eingestiegen bin, hieß die Gemeinschaft „Schwestern und Brüder des hessischen Brüderhauses“. Dann wurde sie in „Diakonische Gemeinschaft Hephata“ umbenannt. Das zeichnet die Gemeinschaft bis heute aus. Wir haben schwer gerungen, vor allem die älteren Brüder hatten sehr zu knabbern, aber mit Akzeptanz und Toleranz und ständigem Aufeinander-Zugehen war diese Entwicklung möglich. Die Brüder haben schnell gemerkt, dass Frauen in der rein männlichen Diakonie unglaublich guttun.
Norbert: Das war für einige ein schmerzhafter Prozess in den 80er Jahren. Ich bin 1984 in die damalige Brüderschaft eingetreten. Von allen Frauen aus meinem damaligen Diakonenkurs sind nur noch zwei Schwestern eher passive Mitglieder. Die damals eher aktiven Frauen sind relativ schnell wieder ausgetreten, weil ihnen Veränderungsprozesse in der Gemeinschaft zu lang dauerten und es starke Verharrungskräfte gab. Ich kann mich an Brüdertage erinnern, an denen energisch diskutiert wurde, da ging es rund. Das Gute ist, man hat es geschafft, diese Zeiten sind überwunden. Doch der Prozess hat einige Jahre gedauert.
Stefan: Zu der Zeit wurde grundsätzlich viel gefochten, auch unter Brüdern, das hatte gar nicht nur mit den Geschlechtern zu tun, sondern mit den Themen, die sehr sozialpolitisch waren.
VEDD: Heute kann man in Hessen Diakon:in sein, ohne der Gemeinschaft anzugehören?
Kathrin: So ist es, aber im Grunde ist es gewollt, dass Diakoninnen und Diakone einer diakonischen Gemeinschaft beitreten. So steht es auch im Diakonengesetz. Wenn man nicht Mitglied werden möchte, muss man sich gegenüber der Landeskirche erklären.
Stefan: Im Diakonengesetz von Kurhessen-Waldeck heißt es wörtlich: Ein eingesegneter Diakon/eine eingesegnete Diakonin soll Mitglied einer diakonischen Gemeinschaft sein. Man will keine Zwangsmitgliedschaft, aber das „soll“ ist sehr stark. Wir wollen das in Zukunft mehr betonen, indem zumindest ein Kennenlernen stattfindet vor allem auch für jene, die sich noch nicht mit dem Gedanken beschäftigt hatten. Im Einsegnungsjahr ermöglichen wir Begegnung. Dann können sie sich immer noch dagegen entscheiden. Aber wenn sich jemand noch gar nicht mit der Gemeinschaft auseinandergesetzt hat, ist es natürlich leicht, ihr den Rücken zuzuwenden.
VEDD: Sie sollen Mitglied einer diakonischen Gemeinschaft sein – welche Alternativen gibt es denn in Hessen noch?
Kathrin: In Hessen keine, aber sie können Mitglied einer der Gemeinschaften sein, die dem VEDD angehören.
VEDD: Diakon:innen aus anderen Landeskirchen können also in Kurhessen-Waldeck arbeiten und können trotzdem in ihrer eigenen Gemeinschaft bleiben? Haben sie bei euch eine Anschlussmöglichkeit, auch ohne gleich Gemeinschaftsmitglied zu werden?
Kathrin: Natürlich. Wir haben zum Beispiel einen Rummelsberger Bruder, der bei uns Mitglied wurde, nachdem er nach Frankfurt gezogen ist. Es gibt aber auch einige Brüder, die in der Hephata-Diakonie arbeiten und dadurch immer wieder an unseren Treffen teilnehmen. Das kommt nicht so oft vor, aber ab und zu.
Stefan: Wir sind eine einladende Gemeinschaft. Ich bin sehr froh, dass Kathrin mit einer halben Stelle in der Akademie arbeitet und so auch Kontakte in die Hochschule hat. Wir laden auch Mitarbeitende Hephatas zu Veranstaltungen ein bringen uns als diakonische Gemeinschaft in Fortbildungsveranstaltungen ein.
VEDD: Was macht für euch das Diakon:in sein aus mit Blick auf das Berufsbild? Wie viele Diakon:innen arbeiten bei der Hephata-Diakonie?
Kathrin: Bei der Hephata Diakonie arbeiten aktuell 43 Diakoninnen und Diakone. Die Anstellungsverhältnisse sind bei uns ungefähr gedrittelt. Etwas mehr als 30 Prozent bei Kirche, 30 Prozent bei Diakonie und 30 Prozent außerhalb von Kirche und Diakonie. Es gibt viele Diakon:innen, die über ihren Sozialberuf angestellt sind. Mir fällt zum Beispiel eine Diakonin ein, die für einen freien Träger in Lübeck Menschen mit psychischen Erkrankungen ambulant betreut. Eine andere arbeitet für den Landkreis mit geflüchteten Menschen. Auch die Arbeit in der städtischen Kindertagesstätte ist möglich.
Stefan: Die Anstellungsverhältnisse sind ganz anders als beispielsweise in Bayern. Wir haben keinen Beamtenstatus. Früher hatten die Diakon:innen leitende Aufgaben bei der Hephata Diakonie. Heute arbeiten sie als Erzieher und Sozialpädagogin, machen dann die Weiterbildung als Diakon:in und bringen diese Haltung mit ins Unternehmen. Genauso ist es im landeskirchlichen Bereich. Als ich 1991 mit der Ausbildung fertig war, musste ich mich in die rheinische Landeskirche bewerben, um überhaupt eine Diakonenstelle zu finden, weil Kurhessen-Waldeck keine hatte, obwohl sie seit Jahrzehnten Diakone ausgebildet hatten. Es gibt natürlich klassische Jugendarbeits-Stellen, aber die sind nicht als Diakonen-Stellen ausgeschrieben. Erst vor zwei Jahren hat die Synode beschlossen, Projektstellen für Diakon:innen in der Landeskirche zu schaffen.
VEDD: Das klingt, als wäre Diakon:in zwar eine Ausbildung, die mich innerlich weiterbringt, aber im Arbeitsleben ist das nur ein Bonustitel ohne Auswirkungen?
Kathrin: Ja, das kann man so sagen. Es gibt wenige Stellen, die man nur besetzen kann mit der Doppelqualifikation, die unserer Landeskirche übrigens extrem wichtig ist. Nur Stefans und meine Stelle sind solche Stellen sowie seit kurzem die Leitung der Hephata Akademie für soziale Berufe und die Seelsorge an der Hephata Klinik. Und dann natürlich die neuen Stellen von der Landeskirche, das sind derzeit acht. Ansonsten sind die allermeisten einfach über ihren Sozialberuf angestellt.
VEDD: Warum sollte ich denn Diakon:in werden, wenn ich das gleiche auch mit einer christlichen Gesinnung und meinem Sozialberuf machen kann?
Norbert: Aus meiner Historie kann ich sagen: Ich war in einer Jugendgruppe, die von einem Gemeindepfarrer geleitet wurde, der nach einem Jahr keine Lust mehr auf Jugendarbeit hatte. Da kam dann ein Mensch mit einem VW Variant in hellblau und festgebundenen Kotflügeln, der hatte lange Haare und einen Bart und war cool drauf. Der war Diakon. Und ich dachte mir: Das will ich auch – ich habe Interesse daran gefunden und mich informiert und habe nach meinem Abitur die Ausbildung gemacht.
Stefan: Du kriegst gutes Handwerkszeug in der Ausbildung und kannst dich persönlich mit deinem eigenen Glauben, deinem Christsein und deiner mitmenschlichen Haltung auseinandersetzen. Bei mir kam noch dazu, dass ich unbedingt in ein kirchliches Amt wollte, aber ich wollte auf keinen Fall Pfarrer werden. Das war mir zu steif, zu viel Beerdigung, zu viel Sonntagsgottesdienst, zu viel klassische Dienstleistung und zu konservativ. Ich wollte in dieser Kirche etwas verändern und sie lebendig gestalten. Beim letzten Einsegnungsgottesdienst hat ein Geschäftsbereichverantwortlicher ein Grußwort gesprochen, in dem er in höchstem Maße gewürdigt hat, dass seine Mitarbeiterin die Ausbildung als Diakonin gemacht hat und welchen Mehrwert das für ihre Arbeit in der Wohngruppe hat. Ob das jetzt die Gestaltung einer Andacht ist oder das Feiern von Festen im Kirchenkreis oder die richtigen Worte zu finden im Sinne der Kommunikation des Evangeliums. „Wir brauchen Ankermenschen in unserer Kirche und ihr Diakone seid das“, sagt unsere Bischöfin dazu.
Kathrin: Wichtig ist auch das riesige Netzwerk, davon profitieren schon die Studierenden. Wir haben unglaublich viele Menschen in unterschiedlichsten sozialen Bereichen. Man bleibt sicher auch lose in Verbindung, wenn man soziale Arbeit studiert, aber nicht in dem Maß, in dem es bei uns möglich ist. Ich merke immer mehr, wie herausfordernd das gesellschaftliche Leben wird. Da sind so viele Krisen zu bewältigen. Viele Geschwister erleben die Gemeinschaft als Oase. Das ist ein Mehrwert, den gibt es bei normalen Ausbildungsberufen oder Studiengängen nicht und schon gar nicht lebenslang.
VEDD: Könnt ihr mir drei Sätze zur Ausbildung sagen? Was muss ich machen, um bei euch Diakon:in und Gemeinschaftsmitglied zu werden?
Kathrin: Es gibt zwei Wege ins Diakonenamt unserer Landeskirche. Zum einen die berufsbegleitende Ausbildung an der Hephata Akademie für soziale Berufe. Berufsbegleitend meint tatsächlich, dass man sich dort nur bewerben kann, wenn man einen staatlich anerkannten Sozial- oder Pflegeberuf hat und in diesem arbeitet. Die Ausbildung dauert drei Jahre. Dann kann man sich einsegnen lassen und auch Gemeinschaftsmitglied werden. Der zweite Weg ist das neunsemestrige Studium in Diakonik/Gemeindepädagogik und Sozialer Arbeit an der Evangelischen Hochschule Darmstadt, Studienstandort Schwalmstadt-Treysa, das man mit einem Doppelbachelor abschließt. Das berechtigt dazu, den Weg weiterzugehen, um sich bei der EKKW für die Einsegnung ins Amt zu bewerben. Spätestens dann lernt man die Gemeinschaft näher kennen und kann Mitglied werden. Man kann das aber natürlich schon während des Studiums tun.
VEDD: Verstehe ich das richtig: Ich kann das Studium in Darmstadt auch machen, ohne mich einsegnen zu lassen? Dann darf ich mich aber nicht Diakonin nennen?
Kathrin: Genau. Aber die Einsegnung kann man jederzeit nachholen. Um Gemeinschaftsmitglied zu werden musst du übrigens nicht Diakon:in sein. Das ist bei uns getrennt.
Stefan: Das haben wir geweitet. Um bei uns laut Satzung Mitglied zu werden, musst du in einem kirchlichen, diakonischen oder sozialen Arbeitsfeld tätig sein, aber nicht mehr wie früher Diakonin oder Diakon. Bei uns sollen sich alle zu Hause fühlen. Deshalb ist auch das Diakonenkreuz, das ja alle Diakon:innen, die einer Gemeinschaft angehören, am Revers tragen können, nicht das Zeichen unserer Gemeinschaft, sondern die Rosette des Kirchenfensters der Hephata Kirche. Das ist unser Markenzeichen, das uns alle über die Berufsgruppen hinweg verbindet. Darüber hinaus bekommen alle eingesegneten Diakon:innen, die Mitglied der Gemeinschaft werden, das Diakonenkreuz, das Zeichen des VEDD.
Kathrin: Seit diesem Jahr ist die Aufnahme in die Gemeinschaft noch niedrigschwelliger und verkürzt. Es geht mit der Teilnahme am Gesamtkonvent los. Dort vermitteln wir Kontakte und leisten Integrationsarbeit. Ein Orientierungstag Gemeinschaft ist ebenfalls verpflichtend, an dem man alle wichtigen Daten und Fakten erfährt, Agapemahl feiert, das alles mit einer super methodischen Vielfalt, um die Gemeinschaft kennenzulernen. Danach kann man sich bis Ende Juni entscheiden, ob man Mitglied werden möchte oder nicht. Wir als Vorstand entscheiden danach, die Menschen aufzunehmen. Außerdem gibt es ein digitales Meeting im September zur gemeinsamen Vorbereitung auf die Aufnahme im November. Darüber hinaus werden alle Interessierten zu allen Veranstaltungen eingeladen, beispielsweise zu Musiktagen, Pilgerreisen, Kanutouren oder zur Frauenfreizeit und natürlich zu den zehn Regionalkonventen. Das ist allerdings alles freiwillig. Nach einem Jahr wird man aufgenommen im Rahmen des Gesamtkonvents und ist Mitglied. Wir beginnen traditionell mit dem Aufnahme- und Eröffnungsgottesdienst am Freitagmorgen.
VEDD: Wie seid ihr organisiert, wer entscheidet was?
Norbert: Wir haben bis zu sechs Vorstandssitzungen pro Jahr, die zum Teil in Präsenz und zum Teil digital stattfinden. Wir behandeln verschiedene Tagesordnungspunkte, das geschieht in der Regel sehr einvernehmlich. Daneben haben wir ein zweites Gremium, die Konferenz der Regionalkonventsvorsitzenden. Die Regionalkonvente bestimmen ihre Vorstände selbst. Die ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder werden alle vier Jahre am Gesamtkonvent gewählt. Alle, die sich dafür interessieren, geben im Vorfeld einen Steckbrief ab, der im Rundbrief veröffentlicht wird, damit sich alle über die Kandidatinnen und Kandidaten informieren können. Es gibt außerdem eine kurze Vorstellung im Rahmen des Gesamtkonvents. Letztes Mal hatten wir elf Bewerbungen für die sechs Plätze im Vorstand. Die Arbeit im Vorstand empfinde ich als sehr harmonisch, ermutigend und es macht mir großen Spaß, auch wenn ich jedes Mal drei Stunden anreisen muss. Zweimal im Jahr machen wir eine gemeinsame Sitzung mit den Regionalkonventsvorsitzenden. Dann können sich die Regionen und der Vorstand austauschen und sich persönlich begegnen.
Kathrin: Zum Vorstand gehören neben den ehrenamtlichen Mitgliedern zwei studentische Vertreter:innen und die Leitung der Hephata Akademie für soziale Berufe als beratende Mitglieder ohne Stimmrecht. Stefan gehört als Geschäftsführer qua Amt dazu, genau wie ich als Referentin der Gemeinschaft und Maik Dietrich-Gibhardt als Vorsteher der Gemeinschaft und Vorstand der Hephata Diakonie.
Stefan: Wir sind sehr basisdemokratisch aufgestellt. Wir stimmen auch viel im Berichts- und Verhandlungsteil am Gesamtkonvent ab.
VEDD: Es gibt 20 VEDD Gemeinschaften, warum sollte ich ausgerechnet bei euch Mitglied werden?
Norbert: Ich habe keinen großen Einblick in andere Gemeinschaften. Was ich aber neben vielem anderem an unserer Gemeinschaft schätze, ist die Vielfalt an Angeboten. Neben den Konventen pilgern wir, machen Mehrgenerationen- und Musiktage und gehen Kanu fahren, es gibt Oasentage und viele andere Sachen und die Beteiligung ist sehr hoch. Die Hauptamtlichen bereiten die Angebote vor, aber immer mit ehrenamtlicher Unterstützung. Wir haben so viele Talente in der Gemeinschaft, die dort eingebracht werden. Wenn ich mich beim Gesamtkonvent umschaue und merke, wie viele Geschichten mich mit den verschiedenen Menschen verbinden, dann ist das eine ganz tolle Sache.
Kathrin: Wir haben auch viele Projektgruppen und AGs. Beispielsweise habe ich die Projektgruppe „Neue“, die den Einstieg in die Gemeinschaft gestaltet. So können verschiedene Geschwister an verschiedener Stelle Verantwortung übernehmen. Da schwingt viel Begeisterung mit und der Funke kann überspringen.
Stefan: Unsere absolute Stärke ist, dass wir eng zusammenstehen, einander zugewandt sind und ein hohes Maß an Miteinander leben. Man spürt uns ab, dass wir mit dem Herzen bei der Sache sind. Wir haben den Rundbrief, die sozialen Medien und andere Verteiler, wir versuchen alle mitzunehmen und niemanden zu verlieren. Das Gegenüber muss das natürlich wollen. Wir haben ein ernstgemeintes Interesse aneinander. Wir wollen Geschwisterlichkeit leben.
Kathrin: Wir haben gute Rahmenbedingungen im Vergleich zu anderen Gemeinschaften. Wir haben zum Beispiel fünf Hauptamtliche, die in der Gemeinschaft arbeiten, eine gut ausgestattete Geschäftsstelle und Tagungsräume. Wir liegen im Herzen des Campus der Hephata Diakonie. Wir haben eine gute Verbindung zur Landeskirche.
Stefan: Wir müssen uns nicht aus eigner Kraft finanzieren, wir sind gewollt in der Hephata Diakonie und sind in der Mitgliederversammlung und im Aufsichtsrat. Wir sind mittendrin im Unternehmen verankert und verwurzelt. Das ist großartig.
VEDD: Wo ist eure Gemeinschaft in 15 Jahren, was wünscht ihr euch, was ist realistisch?
Stefan: Wir werden weniger werden, um mal mit dem Negativen anzufangen. Ich bin seit drei Jahren in der Geschäftsstelle, aber niemand hat mir gesagt, wie viele Trauernachrichten und Nachrufe da zu schreiben sind. Aber auch in 15 Jahren werden wir noch eine stattliche Zahl sein und eine gute Arbeit machen können. Bisher hat uns geprägt, dass wir in der Lage sind, mit der Zeit zu gehen und uns zu öffnen. Das werden wir uns auf jeden Fall bewahren. Ich wünsche uns, dass wir den Gemeinschaftsgedanken weiterhin so leben können in einer Gesellschaft, die immer individueller und Ich-bezogener wird, und dass wir Heimat bieten können im Miteinander der Geschwisterlichkeit.
Norbert: Viele Urgesteine der diakonischen Gemeinschaft sind bereits von uns gegangen. Dieser Wandel geht weiter. Viele ältere Brüder denken ihrer Zeit im Brüderhaus hinterher, doch diese Brüder und ihre Erfahrungen werden wir verlieren. Unser Vorteil ist die Dynamik der Gemeinschaft. Da wächst eine Menge toller Menschen nach, die Gemeinschaft leben und die Verantwortung übernehmen. Wo wir uns bei all den Rahmenbedingungen, mit denen wir jetzt zu tun haben, sei es die AfD oder die Klimakatastrophe, in 15 Jahren befinden werden, weiß ich nicht. Aber ich habe die Hoffnung, dass wir die Sensibilität im Umgang miteinander nicht verlieren. Unser Jahresthema ist die Würde des Menschen. Gerade die Konfrontation mit dem rechten Spektrum der Gesellschaft zeigt, dass wir damit sehr sensibel umgehen müssen. Mein Anspruch an mich und unsere Gemeinschaft ist, dass wir noch viel Gutes bewirken können.
Kathrin: Da kann ich kaum noch etwas hinzufügen. Wir entwickeln uns weiter und sehen, was nötig ist. Wir stellen uns den Herausforderungen und entwickeln dafür eine Leidenschaft. Wir tun viel über Generationen hinweg. Vom 19-jährigen Studi bis zum 86-jährigen Bruder haben alle Interesse aneinander. Ich habe Hoffnung, dass das so bleiben wird.
Stefan: Wir haben die Weichen mit unserem Zukunftsprozess gestellt. Wir haben uns gefragt: Wo kommen wir her, wo wollen wir hin? Was behalten wir bei, was ändern wir? Diese Selbstvergewisserung war sehr wichtig.
Das Interview führte Diakonin Arnica Mühlendyck, Öffentlichkeitsarbeit VEDD e.V..
Laden Sie hier das vollständige Interview als PDF. Artikel_Hephata_2024_PDF (46 Downloads )
Mehr Informationen zur Diakonischen Gemeinschaft Hephata gibt es auf ihrer Website.