Zwei eierlegende Wollmilchsäue in Bayern und Sachsen

Yvonne und Laura Meier sind in Selb im oberfränkischen Fichtelgebirge geboren und aufgewachsen. Heute machen beide ihre Ausbildung zur Diakonin: eine im mittelfränkischen Rummelsberg und eine in Moritzburg bei Dresden. Was auf den ersten Blick unlogisch erscheint – Warum sollten zwei Schwestern an zwei unterschiedlichen Orten die gleiche Ausbildung machen? – ist einfach entstanden. „Wir sind sehr kirchennah groß geworden, unser Haushalt war christlich geprägt, wir waren gemeinsam im Kinderchor“, erklärt Yvonne. ”Wir sind da einfach so hineingewachsen.“ Ihre Schwester ergänzt: „Der Diakon in unserer Gemeinde hat früher immer gesagt, wir würden eben einfach der Kirchenblase angehören.“
Yvonne ist nach ihrem Bundesfreiwilligendienst bei der Christusbruderschaft in Selb nach Rummelsberg gezogen, gehörte dort an der Evangelischen Hochschule Nürnberg zum ersten Ausbildungsjahrgang nach der Studiengangsreform im Bachelorstudiengang Diakonik.

Laura hat nach der Schule ein Freiwilliges Soziales Jahr gemacht – in Dresden. Nach dem Jahr in der CVJM-Schiffsherberge auf der Elbe war für sie klar: Sie bleibt in Sachsen. Ihr Plan A (die Ausbildung bei der bayerischen Polizei) war gescheitert und sie bewarb sich an mehreren Hochschulen im Umfeld. An der evangelischen Hochschule Dresden fand sie, was sie gesucht hatte. Sie studiert dort nun Evangelische Religions- und Gemeindepädagogik am Campus Moritzburg, der Studiengang, der am Ende zum Beruf der Diakonin führt. Der Berufswunsch Diakonin ist in beiden groß. „Was ist tue hat einen positiven, im Glauben stehenden und wertschätzenden Impact auf mein Gegenüber“, ist Yvonnes Definition des Berufs. Laura beschreibt es praxisnaher: „Ich möchte in jungen Menschen Erinnerungen schaffen, so dass sie in zehn oder 20 Jahren zurückdenken und sagen: Wegen der EJ war meine Jugend geil.“ Für sie ist es erfüllend, an der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen teilhaben zu dürfen.

Der Weg zum Beruf Diakon:in ist in den beiden Ausbildungsstätten verschieden. „In Sachsen ist es anders als in Bayern. Diakonin ist hier eher ein Ehrentitel. Ich kann das Studium auch machen, ohne Diakonin zu werden oder hinterher der Gemeinschaft beizutreten.“ In Bayern undenkbar: Wer an der EVHN Diakonik studiert, wird in der Regel Diakon oder Diakonin. Um den Beruf auszuüben, ist die Zugehörigkeit zu einer der beiden Gemeinschaften (Diakoninnengemeinschaft Rummelsberg oder Rummelsberger Brüderschaft) nicht optional. Für Yvonne stand nie zur Debatte, ob das für sie passt. „Das ist zu 100 Prozent der richtige Weg für mich. Ich habe nie etwas anderes gekannt, ich bin in der Evangelischen Jugend aufgewachsen. Es ergibt für mich Sinn, das zu tun, was mich erfüllt und was ich gern tue und gut mache, und das im Hauptamt statt als Ehrenamtliche.“ Die enge Anbindung des Berufs an die Diakoninnengemeinschaft ist für Yvonne ein Bonus. „Ich habe die Ausbildungsgemeinschaft wirklich lieben gelernt und freue mich jetzt, wenn ich im nächsten Herbst eingesegnet werde, auf das bayernweite Netzwerk. Egal, wo in Bayern ich bin, ich bin nicht alleine, überall sind Diakoninnen.“
Auch in Moritzburg wird Gemeinschaft unter den Studierenden gelebt. Laura lebt im Brüderhaus, in einem von vier Wohnheimen direkt auf dem Campus. „Die Brüderhausgemeinschaft ist sehr angenehm, wir sind eng connected – aber nicht ganz so krass wie in Rummelsberg. Ob ich später der Gemeinschaft beitrete, weiß ich noch nicht. Für uns Studierende ist das sehr weit weg“, beschreibt die 20-Jährige. Sie steht noch ganz am Anfang ihrer Ausbildung. Yvonne ist überzeugt: „Die Verbundenheit wird kommen, je weiter du im Studium bist. Das entwickelt sich.“

Welche weiteren Unterschiede fallen ihnen zwischen der Ausbildung in Moritzburg und der in Rummelsberg ein? „In Sachsen gibt es keine Verbeamtung für Diakoninnen und Diakone, aber auch kein Sendungsprinzip“, fasst Laura zusammen. „Dafür können wir nach dem Studium Religion bis zur zehnten Klasse unterrichten.“ In Moritzburg schließen die Studierenden den Studiengang mit einem Bachelor-Abschluss ab. In Rummelsberg sind es bis zu zwei: Wer Diakonik studiert, muss parallel noch eine soziale Berufsausbildung machen. Viele – so auch Yvonne – entscheiden sie für den Studiengang Soziale Arbeit, der direkt mit Diakonik verbunden werden kann. Andere werden Erzieherin oder Heilerziehungspfleger. Auch eine Ausbildung in der Pflege ist möglich, heute jedoch eher selten. „Aber im Grunde sind die Studienverläufe sehr ähnlich“, findet Yvonne. „Die Verbindlichkeit in der Ausbildungsgemeinschaft ist allerdings etwas höher. Wir haben die gemeinschaftliche Ausbildung als dritten Teil der Gesamtausbildung, müssen uns beteiligen, um das in unser Portfolio einzubinden.“ Laura ergänzt: „Dafür haben wir den schöneren Campus.“ Während Yvonne energisch den Kopf schüttelt, lenkt Laura ein: „Außer die Kirche. An eure Philippuskirche kommt wirklich nichts ran.“ Früher haben sich die Schwestern häufiger besucht, Laura hat während der 10. Klasse sogar ein Praktikum in Rummelsberg gemacht. Heute schreiben sie sich zwar täglich, aber gegenseitige Besuche sind eher die Seltenheit. „Wir sind beide wirklich busy, durch das Studium, das gemeinschaftliche Engagement und unsere jeweilige Beziehung.“ Gut, dass die Heimatgemeinde in Selb quasi auf halber Strecke liegt.
Für die Zukunft haben beide schon klare Vorstellungen. „Da ich aus der Jugendarbeit komme, sind da viele Schätze, die ich verwenden könnte“, so Yvonne. „Andererseits habe ich während meines Praxissemesters auch ein großes Herz für die Arbeit im Demenzbereich entwickelt. Und ich bin auch sonst sehr offen. Ich kann mir auch Stadtteilarbeit vorstellen, Beratung oder Projektarbeit.“ Örtlich ist sie durch die Sendung an Bayern gebunden. „Bayern ist natürlich sehr schön, hat nur leider sehr wenig Meer“, schmunzelt die 23-Jährige. Laura steht noch am Anfang ihrer Ausbildung. Trotzdem hat sie schon eine Idee, wo es hingeht. „Mein Herz gehört der Jugendarbeit. Aber auch die Lehre kann ich mir mittlerweile gut vorstellen. Wir werden sehen. Immerhin werden wir als eierlegende Wollmilchsäue ausgebildet.“ Sie möchte in Sachsen bleiben. „Zumindest die ersten Jahre. Aber vielleicht gehe ich irgendwann zurück nach Bayern.“
Text: Arnica Mühlendyck
Fotos: privat